Organhaftpflicht (D&O)
Experten für ihre Risiken

Die Versicherer konzentrieren sich auf finanziell robuste Kunden. Unternehmen mit vorteilhaftem Risikoprofil profitieren von kompetitiveren Konditionen. Wir beobachten eine Stabilisierung des Marktes. Die Versicherer bieten zu Recht mehr und mehr unveränderte Konditionen an und schränken die Deckung nicht weiter ein.

Versicherungsbroking

D&O Message

Ein Newsletter zu den Entwicklungen der persönlichen Verantwortlichkeit von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung (Directors’ & Officers’ Liability, D&O).

Die Energiepreise sind anhaltend hoch: Die Internationale Energieagentur «IEA» schätzt, dass die Gaseinkäufe der EU im Jahr 2022 rund das Dreifache gegenüber 2021 kosteten. Der Russland-Ukraine-Konflikt ist weiterhin eine Bedrohung und der US-Schuldenberg wächst. Grössere Steuererhöhungen sollen ihn reduzieren. Steigende Zinsen und die Inflation lassen die Finanzmärkte volatil agieren.

Ausserdem hielten viele Unternehmen den Zusatzbelastungen nicht mehr stand und meldeten Konkurs an. In Frankreich und England wurde eine Zunahme von über 45 Prozent für das Jahr 2022 gemessen. Mit 22 Prozent steht die Schweiz deutlich besser und stabiler da. Sie bleibt jedoch nicht verschont – wie das Beispiel der Credit Suisse zeigt. Es bleibt für Verwaltungsräte und Management herausfordernd.

PRAXISFÄLLE AUS DER PRESSE – AKTIENRECHTLICHE VERANTWORTLICHKEIT

PENSIONSKASSE ACSMS

Ein Vermögensverwalter verursachte mit riskanten Anlagen einen Schaden von CHF 57 Mio. bei der Pensionskasse der medizinisch-sozialen Dienste des Saanebezirks (ACSMS), worauf diese liquidiert werden musste. Im September 2022 wurde 12 Stiftungsratsmitgliedern, dem externen Revisor und der Vorsorgeexpertin in einem Gerichtsurteil vorgeworfen, dass sie ihre Überwachungspflichten gegenüber dem Vermögensverwalter nicht hinreichend wahrnahmen. Deshalb wurden sie zu einer Schadensersatzzahlung von CHF 20 Mio. verurteilt. Es wird erwartet, dass die Verurteilten das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen.

WIRECARD

Im Dezember 2022 begann die Hauptverhandlung im Strafverfahren gegen den ehemaligen Wirecard-Chef Markus Braun und zwei weitere Angeschuldigte. Wichtig sind die Aussagen von Kronzeuge Bellenhaus, welche von Braun vehement zurückgewiesen wurden. Unterdessen wird häufiger über den aufgebrauchten Versicherungsschutz der Chubb berichtet. 2021 wurde der Versicherer vom Gericht verpflichtet, die Verteidigungskosten für die Angeklagten zu übernehmen. Denn bis zur Feststellung des vorsätzlichen Handelns sind diese gedeckt. Bereits 13,5 Mio. EUR der von Chubb versicherten 15 Mio. EUR wurden für juristische Beratungen ausgegeben. Für weitere Kosten müssen die Excess-Versicherer aufkommen, bei denen eine Versicherungssumme von 150 Mio. EUR eingekauft wurde.

KARSTADT

Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte sechs Aufsichtsratsmitglieder des seit 2009 insolventen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor zur Schadensersatzzahlung von 53,6 Mio. EUR an den Insolvenzverwalter der AG. Zum Pflichtenheft eines Aufsichtsratsmitglieds gehöre die Überwachung der Vorstandsmitglieder, begründete das Gericht seine Entscheidung. 2006 hätten sie Schadensersatzansprüche gegen frühere Vorstände verjähren lassen und dadurch die Aufsichtspflichten verletzt. Dieser Fall schafft Präjudiz und ist ein Appell an die Aufsichtsräte, immer und umgehend gegen Vorstände vorzugehen.

CREDIT SUISSE

2023 sind mehrere US-Anlegersammelklagen gegen die Credit Suisse Group AG (CSG) und einzelne Organpersonen eingereicht worden. Dies weil die Aktien der CSG als American Depositary Shares (ADS) an der New York Stock Exchange kotiert sind. Der Handel erfolgt mit American Depositary Receipts (ADRs) in USD und ist durch lokale Börsengesetze reguliert. Beobachter erwarten, dass es auch bei uns Klagen von kapitalkräftigen Grossaktionären oder Besitzern von nachrangigen AT1-Anleihen geben wird. Die Äusserungen von Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann, wonach die Geldabflüsse «vollständig abgeflacht» seien, veranlasste die Schweizer Finanzaufsicht FINMA jedoch nicht dazu, ein aufsichtsrechtliches Verfahren zu eröffnen.

AKTUELLE UND KÜNFTIGE GESETZESÄNDERUNGEN

AKTIENRECHT

Seit anfangs 2023 gelten neue Regeln für Aktiengesellschaften. Die Modernisierung der Generalversammlung und zusätzliche Möglichkeiten bei der Ausgestaltung des Kapitals sind bedeutende Errungenschaften. Für Entscheidungsträger ist wichtig, dass Minderheitsaktionäre mehr Rechte erhalten haben, notabene beim Verlangen von Auskunft, bei der Einsicht in die Geschäftsbücher oder der Mitbestimmung der Agenda einer GV. Die Hürden für eine Sonderuntersuchung (bisher Sonderprüfung) sind ebenfalls gefallen.

Gespannt beobachten wir, ob der neue Artikel 756 Abs. 2 OR in der Praxis angewandt wird. Denn eine GV kann beschliessen, dass die Gesellschaft Klage gegen ihre Organpersonen erhebt. Sie kann den Verwaltungsrat oder einen Vertreter mit der Prozessführung betrauen. Unternehmen müssen die Statuten bis zum 1. Januar 2025 an das neue Recht anpassen.

ESG-BERICHTERSTATTUNG (ENVIRONMENTAL, SOCAL AND GOVERNANCE)

Gesellschaften des öffentlichen Interesses müssen erstmals für das Geschäftsjahr 2023 einen Bericht über nicht finanzielle Belange ablegen. In der Klimafrage geht der Bundesrat noch weiter und hat die Vollzugsverordnung zur Klimaberichterstattung verabschiedet. Diese tritt am 1. Januar 2024 in Kraft und folgt den Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD). Es geht um das Risiko, welches ein Unternehmen durch klimarelevante Tätigkeiten eingeht, und um die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf das Klima.

DSG-BUSSEN

Im September 2023 passt die Schweiz die Datenschutzregulierung an. Wie die europäische DSGVO verbessert das neue Datenschutzgesetz (DSG) den Schutz der Daten von natürlichen Personen – nicht jedoch von juristischen Personen. Anders als in der EU richtet sich die Strafe bei Verletzung der DSG-Bestimmungen nicht gegen ein Unternehmen, sondern gegen natürliche Personen. Diese werden bei vorsätzlichen Verstössen gegen das Gesetz mit einer Busse von bis zu CHF 250'000 bestraft. Dabei wird nicht auf die Handlungsverantwortlichen, sondern auf die Organisationsverantwortlichen abgestellt. Bussen sind weder versicherbar noch darf ein Unternehmen die Busse für den Verantwortlichen übernehmen.

MARKTENTWICKLUNG D&O-VERSICHERUNG

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

Spätestens seit der Lancierung von ChatGPT steht ein Sprachmodell zur Verfügung, welches auf Künstlicher Intelligenz (KI) und Maschinellem Lernen basiert. «Big Tech Companies» haben klar signalisiert, dass sie auf diese Technologien setzen. Den Führungsverantwortlichen kommt die schwierige Aufgabe zu, eine Risikoabschätzung – im besten Fall eine Chancenanalyse – im Umgang mit dieser jungen Technologie zu treffen. Denn es besteht das Risiko, falsche Informationen aus KI-Systemen zu übernehmen oder Geschäftsgeheimnisse an Dritte weiterzugeben. Dies kann zu Ansprüchen gegenüber der Führung oder der Gesellschaft führen. Es ist somit wichtig, bei der Belegschaft für Awareness zu sorgen.

RISIKOSTEIGERUNG AUCH IN DER SCHWEIZ

Meist kleinere Unternehmen sind nach dem Ende der Corona-Unterstützung des Bundes Konkurs gegangen. Wir rechnen deshalb vermehrt mit Rechtsstreitigkeiten. Die Übernahme der CS durch die UBS ist eine heftige Belastungsprobe für das Management. Wie sich all dies auf die Entwicklung von D&O-Schäden auswirkt, wird sich noch zeigen.

MARKTUMSCHWUNG TROTZDEM DA

Vor vier Jahren hat sich der «Financial Lines»-Markt weltweit stark verhärtet. Die Haupttreiber waren Millionenzahlungen für D&O-Fälle im Ausland und damit verbundene Verluste der Versicherer. Bekannte und für die Versicherer sehr teure Fälle waren Daimler, VW, Wirecard, Boeing und andere. Grosse D&O-Schadenfälle blieben in der Schweiz bisher aus. Nach einer Analyse des D&O-Kunden-Portfolios gehen wir davon aus, dass D&O für die Schweizer Versicherer insgesamt eine profitable Versicherungsart ist. Zudem bieten neue Anbieter im Markt Kapazitäten für D&O an, was sich alles in sinkenden Prämien bemerkbar macht.

BENCHMARK VERSICHERUNGSSUMMEN

Durchschnittliche Versicherungssummen unserer Kunden, Stand Mai 2023:

Die Limiten börsenkotierter Unternehmen haben sich leicht nach unten angepasst. Die Analyse zeigt, dass die meisten Unternehmen ihre Versicherungssumme unverändert liessen. Einige haben diese aus Kostenüberlegungen leicht reduziert. Bei vielen anderen Unternehmen ist das Bedürfnis da, die Versicherungssumme wieder zu erhöhen. Die Gründe dafür liegen in der Kapazitätsverfügbarkeit und im höheren Wettbewerb im Exzedentenmarkt. Zudem ist die Bereitschaft vorhanden, mit den Prämieneinsparungen höhere Versicherungssummen einzukaufen.

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Sie interessieren sich für eine Zusammenarbeit oder haben Fragen? Ihr Ansprechpartner freut sich auf Ihre Kontaktaufnahme.

Sébastien Wyss

Teamleiter Special Risks

 

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